Die Winterzeit hat für einen Hochzeitfotografen einen Vorteil – nachdem die Saison 2011 längst vorbei ist und auch die letzten Brautpaare Ihre Bilder bekommen haben, habe ich endlich die Zeit und nötige Ruhe, über meine Arbeit und Produkte zu reflektieren. Mir Gedanken zu machen, was wirklich wichtig ist und was im Endeffekt von einer Hochzeit an Erinnerungen bleibt. Wird die standardmäßig mitgelieferte Bilder-DVD nach 5-10 Jahren noch angeschaut oder verschwindet sie genauso, wie einst VHS- oder Audiokasetten? Könnt Ihr Euch heutzutage vorstellen, eine Audiokasette abzuspielen? (oder besser: wisst ihr noch was das ist?). Ich nicht – auch wenn ich noch vor 10 Jahren eine beträchtliche Sammlung an Musik hatte und diese nun irgendwo im Keller liegt. (…)
Wenn ich meine Eltern besuche, schaue ich immer öfter in unsere Familienalben rein. Es sind Bilder drin, die mit einer Amateurkamera geschossen wurden, unter falschen Lichtverhältnissen, bildtechnisch grottenschlecht. Ganz ehrlich: eigentlich wäre das Album das beste Vorführbeispiel für einen Fotoworkshop mit dem Namen “100 Dinge, die man beim Fotografieren möglichst nicht tun sollte”. Aber wisst ihr was, es ist mir so was von egal! Die Bilder werde ich nie im Leben gegen beste Arbeiten von Helmut Newton auf Barytpapier tauschen, auch wenn sie von dem Meister persönlich signiert wären. Ein Paar “Baumwickelbilder” ( Fachjargon: “Onkel Bob Bilder”) und langweilige Standesamtaufnahmen von Elternhochzeit – ich liebe sie trotzdem! Es ist so schade, dass wir keine längere Serie haben – evtl. sogar ein eigenes Hochzeitsalbum (was damals nicht verbreitet war), mit all den Details und Momenten von der Hochzeit. Ich wünschte mir ich könnte darin blättern und mich über meine Verwandten amüsieren, was sie damals, 1980, in der Hochzeit angestellt haben. 🙂
Ironie des Schicksals – nun habe ich die Gelegenheit, solche Stories für meine Brautpaare selbst zu gestalten. Obwohl ich die Alben schon länger kreiere, mag ich das Gestalten nach jedem Album immer mehr. Es ist eine überaus kreative Arbeit in der man sich immer weiterentwickeln kann, sie erfordert viel Vorstellungsvermögen und Geschmack, man kann mit jeder Doppelseite eine kleine Geschichte des Tages erzählen und das Ergebnis kann eine Bilder-DVD locker mehrmals überleben. Wenn die Story erstmal erstellt ist, freut sich mein Albenhersteller, von mir durzende Anweisungen zu bekommen, weil ja jedes Paar sich doch ein in gewissen Aspekten besonderes Album wünscht: mal schlicht und einfach, mal mit Lederbezug, mal mit Plexiglas über einem Bild. Hand-made angefertigt, geht das Album bald bei mir ein und nach einem kurzen Qualitätscheck freut sich das Brautpaar, endlich etwas ganz schickes und zeitloses ihr eigen zu nennen. Ich bin fest überzeugt – ihre Kinder werden ihnen für die Investition mehrmals dankbar sein – so wie ich für die wenigen vorhandenen Aufnahmen von meinen Eltern.
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